Kein Scheitern, sondern ein Hinweis auf einen neuen Weg.
Ausfahrt zum L‘Albaron 3637 m in der Vanoise
Ort: Bonneval-sur-Arc, Vanoise, Frankreich
Teilnehmer: Karl-Heinz, Klaus, Thomas, Alex, Martin, Steffen, Jörg (Stähle), Jörg (Tanne)
Wann: Do. 10. – So. 13 Juli
1. Tag:
8-stündige Anreise, wunderschöner Hüttenaufstieg, vorbei an schroffen steilen Schluchten mit rauschenden Wasserfällen und vielen glasklaren Felstümpeln.
2. Tag:
Nach Frühstück, so karg wie die Landschaft gings Richtung Lac du Grand Méan. Die Pointe Francesetti 3.433 m in Sichtweite suchten wir vor dem Massiv einen möglichen Weg über Gletscher, Couloir und Grate. Kurze Pause, Steigeisen an und los gings. Atemberaubende Überquerung des in den See ragenden blanken Eisriesen, steile Schneerinne in besten Trittfirn und weiter über den flacheren Gletscher bis zum Col de la Disgrâce. Sammeln, Trinken und an einer kleinen Schneewand steil gehen üben. Weiter über Felsgrat bis zum Gipfel. Gute Laune, lecker Vesper, beste Aussicht auf die umliegenden Alpenriesen Mont Blanc und Dentblanc, Matterhorn und Co. Auf Rückweg lösten sich Jörgs Bergschuhe quasi auf, zuerst die Untersohle, dann die Mittelsohle. Selbst Kleber, Riemen und Kabelbinder mussten hier die Segel streichen.
3. Tag:
So konnte Jörg Stähle gemütlich ausschlafen. Auch Karl-Heinz sah sich der Strapazen nicht gewachsen. Der Rest frühstückte um 3.30 Uhr und um 4.30 Uhr starteten wir ebenen Wegs, durch das ehemalige Gletscherbecken, Richtung L‘Albaron. Es dauerte nicht lange und früher als erwartet kam die erste Hürde. Wo man in den letzten Jahren noch durch eine steile Schneefeldrinne zum ersten Gletscherplateau gelangte, mussten wir über eine Schuttmoräne gehen. Nicht ganz ohne, die Steigeisen gaben uns den nötigen Halt. Weiter gings über die Glacier des Évettes zum nächsten Steilanstieg, wo leider schon im Juli das Blankeis zum Vorschein kam. Schon vor der von uns ausgemachten Schlüsselstelle hatten wir zwei schwierige Passagen zu überwinden. Egal… zwei Fixseilstrecken und aufi gehts. Ausstieg wieder brisant, Querung einer Spaltenzone (siehe Bild oben). So langsam schwinden die Kräfte, die Zeit und der Glaube an den Gipfelerfolg. Was tun? Kompromiss, wir laufen bis 11 Uhr und kehren dann um. Um kurz vor 11 Uhr standen wir dann vor der von uns als fast unüberwindbar eingeschätzen Schlüsselstelle, mit der Erkenntnis… das hätte klappen können. Es war ein sehr steiler +45 Grad firnbedeckter Gletscheraufschwung. Tja, immer diese Konjunktive. Also… Rückzug, diesmal der Versuch über die orthografisch rechte Flanke. Das bedeutet steil über Gletscherbruch hinüber und dann abwärts. Wieder sehr steil das diesesmal sogar drei Fixseilpisten, gesichert mit T-Anker und Eisschrauben, zum Einsatz kamen. Etwas früher als erwartet aber gesund kamen wir an der Hütte an. Das 10€ teure Bier konnten sich auch die Schwaben unter uns nicht verwehren 😉
4. Tag:
Abstieg diesmal über den Col des Évettes bis zum Gemeinschaftsbussle. Kurze Einkehr im malerischen Bonneval. Kleiner Einkauf auf Bauernmarkt und ab nach Pforze. Erkenntnis: Ein nicht erreichtes Ziel ist kein Scheitern, sondern ein Hinweis auf einen neuen Weg.
Fazit:
Früher vermeintlich einfache Alpengipfel werden immer schwerer bis garnicht mehr zu besteigen oder bleiben den Waghalsigen vorbehalten. Daraus entstehen neue Herausforderungen und ein neues Gefahrenmanagement. Der rasante Gletscherrückgang ist unaufhaltsam, nutzen wir die uns noch kurzfristig gebotenen Möglichkeiten des Hochtourengehens.
Nächstes Jahr… nächste Touren 😉
Autor: Jörg Tanneberger
Fotos: Jörg Tanneberger, Jörg Stähle, Martin Braun, Steffen Rühle, Thomas Schwarz